- Preis-Leistungs-VerhältnisSehr gut
Warnung: Wer ein klassisches Schlosshotel mit ungestörtem Relax-Feeling sucht, sollte um das „Dětenice“ einen großen Bogen machen. Hier ist nämlich nichts so, wie man es eigentlich erwartet. Rezeption im Schloss? Fehlanzeige. Wäre ja auch übertrieben, weil in diesem bloß zwei Zimmer buchbar sind (Gold- bzw. Silber-Suite). Einchecken muss man daher im benachbarten Medieval-Hotel (tschechisch: „Středověký“), wo man in eine völlig andere Welt eintaucht, sobald man die Schwelle überschritten hat. Elektrischer Strom dort? Denkste. Mit ein paar flackernden Kerzen ist vorlieb zu nehmen, ehe ein aus dem finsteren Nichts auftauchender, mittelalterlich kostümierter „Geist“ mit markerschütterndem Gebrüll den Weg weist. Anmeldeformular? Scheint in diesem Hotel überflüssiger Bürokratismus zu sein, wir mussten uns nicht einmal ausweisen. Die entzückende junge Empfangsdame Jeanetta erteilte uns beim Welcome-Drink (nur der Teufel weiß, was darin enthalten war) die ersten Instruktionen, überreichte meiner Frau spontan einen kleinen Blumenstrauß und geleitete uns sodann gemächlich per pedes zum Schloss (ich mit dem Auto trotz Standgas ständig bremsen und den vielen Besuchern ausweichen müssend hinterher). Parkplatz? Gibt’s keinen. Einfach auf die grüne Wiese des Schlossparks unter einem Baum, mit baldigen „lieben Grüßen“ der Vögel von oben (die Autowaschstraße war damit später fast überfordert). Lift im Schloss? Weit gefehlt. 55 beschwerliche, knarzende Stufen bis in unsere Suite im 2. Stock. Gepäckservice? Nix da, wurde uns auf Nachfrage aber Gott sei Dank gewährt – die zierliche Jeanetta war uns dabei sehr behilflich, wofür sie mit reichlich Trinkgeld belohnt wurde (hatten unsere zahlreichen Koffer und Taschen doch zumindest dasselbe Gewicht wie sie selbst). Suite? Welche Untertreibung. Die Dimensionen sind mehr als gewaltig: Bad 10 m² / Wohnraum mit Eingangsbereich 36,4 m² / 1. Schlafzimmer mit mittelalterlichem Doppelbett (von uns nie benutzt) 32,3 m² / 2. Schlafzimmer mit schönem Wandfresko 44,4 m² - gesamt somit unglaubliche 123 m². Raumhöhe: 4,50 m, insgesamt 8 (!) Fenster, optimal harmonierende, historisch-antiquarische Möblierung. Zu meiner Überraschung und großen Freude befand sich im 1. Schlafzimmer ein weißes PETROF-Pianino, das sogar hervorragend gestimmt war (einziges Manko: die Taste des zweigestrichenen „a“ war tot). Da außer uns niemand sonst im Schloss wohnte, stand einer „kleinen Nachtmusik“ nichts entgegen….. Zu kritisieren gab’s an den Räumlichkeiten eigentlich nichts – außer, dass im Bad keine Seife vorhanden war, und dass der Parkettboden stark knarrte sowie alle Türen laut quietschten (dieser „Sound“ passt allerdings perfekt in ein Geisterschloss!). Womit wir auch schon zur wirklich spukhaften Seite kommen: Das Frühstücksbuffet war im düsteren Speisesaal des oben erwähnten Medieval-Hotels aufgebaut. Umzingelt von uralten Grabsteinen, Kruzifixen und Kerzen eine wahrlich schauerliche Atmosphäre. Rein gar nichts ist so wie von herkömmlichen Hotels gewohnt: Das Teewasser mussten wir mittels eines Topfes aus einem auf dem Herd brodelnden, riesigen Kessel selbst abschöpfen, neben dem auch ein Mega-Reindl mit deftiger (leckerer!) Suppe köchelte. Butter, Wurst und Käse waren in einem tiefen Brunnen versteckt – das Runterbeugen fürwahr kein Spaß für Leute mit Wirbelsäulenbeschwerden. Das überaus schmackhafte hausgemachte Brot (1/4-kg Laibe) war mangels Messern nur mit der Hand zu brechen. Tja – „medieval“ bedeutet „mittelalterlich“ – so sind halt hier die Sitten, selbst im 21. Jahrhundert. (Anmerkung: Das Frühstück hätten wir uns ohne Aufpreis auch direkt in die Schloss-Suite servieren lassen können, dies wäre aber längst nicht so unterhaltsam gewesen.) Auch das Mittagessen haben wir täglich im „Medieval“ eingenommen. Die dt. Version der Speisekarte nennt sich „Fresskarte“ und enthält eine riesige Auswahl böhmischer Hausmannskost. Egal was man bestellt – es ist wirklich alles köstlich, und die Portionen sind ungemein groß. Wir (beide 50+) haben hier zB das beste Grillhuhn unseres Lebens verspeist. Einziger Kritikpunkt: Das Gulasch war nur mit Pfeffer, ohne jegliche Beimengung von rotem Paprika gewürzt. Bedient wurden wir von 2 älteren „Hexen“ und 2 jungen „Geistern“, die alle mittelalterliche Kostüme trugen und im Gesicht mit kohlschwarzen Fingerstreifen „geschminkt“ waren. Anfangs schockierend war die Kommunikation mit dem Servierpersonal: Jeder Gast wird mit höchster Lautstärke angeschrien und regelrecht brüskiert, was bei uns zunächst größeres Unbehagen und Beklommenheit ausgelöst hat (das ist aber DAS Grundkonzept im gesamten Areal, das konsequent durchgezogen wird – genial!). Natürlich entpuppten sich diese kreischenden „Halbtoten“ als völlig normale, sympathische Menschen, die uns gegenüber von Tag zu Tag handzahmer wurden und uns beim Abschied sogar liebevoll um den Hals fielen. Zum Gesamteindruck passte perfekt eine – an sich scheue – pechschwarze Katze. Diese setzte sich eines Morgens beim Frühstück zu uns auf einen Sessel und war von dort trotz Verlockungen nicht wegzubringen. Ein schlechtes Omen? Leider ja: Nach unserer Rückkehr aus dem Urlaub erfuhren wir, dass eine gute, alte Freundin ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt verstorben ist. Der „Hammer“ schlechthin war unser HP-Package, weil wir jeden Abend woanders speisen durften. Das 1. Dinner fand direkt im Schloss statt – in einem prächtigen Rittersaal, aufgedeckt nur für uns beide, mit romantischem Kerzenlicht, untermalt von klassischer Musik und deliziöser Speisenfolge. Das eigens für uns abgestellte Personal erschien immer gerade dann, wenn man es brauchte, ließ uns sonst aber alles in einsamer Zweisamkeit auskosten. Das 2. Abendessen bekamen wir in der mittelalterlichen Taverne (neben dem Medieval-Hotel) serviert, wo uns so nebenbei eine hervorragende Rittershow geboten wurde (mit Hexenverbrennung, Guillotinierung, Schwertkämpfern, Feuerschluckern, Bauchtänzerinnen, etc.). Wir hatten den besten Platz direkt vor der Bühne zugewiesen bekommen und diesen Abend in hohem Maße genossen. Das 3. Dinner – das relativ „schwächste“ – fand in der Pizzeria statt, die ebenfalls zum Hotelkomplex gehört. Die dortige Küche steht den anderen um einiges nach, und ist auch das Ambiente dort vergleichsweise völlig normal. Das 4. Abendmahl war im „Medieval“-Restaurant vorgesehen, das wir ja schon aus den Vortagen kannten. Dennoch waren wir überrascht, mit wie viel Liebe unser Tisch (den wir uns schon beim Frühstück aussuchen konnten) aufgedeckt war und mit welcher Zuvorkommenheit wir bedient wurden - natürlich mit höchster Lautstärke und einschüchternden Gesten, aber daran waren wir schon längst gewöhnt, weil dieses Gehabe hier Standard ist. Am 5. und letzten Abend schwelgten wir nochmals bei einem entspannten, privaten VIP-Dinner im Rittersaal des Schlosses; anders aufgedeckt, andere Speisenfolge, aber nicht minder nobel und stimmungsvoll wie beim ersten Mal. Neben den bisher aufgezählten Lokalitäten gibt es noch ein Café direkt im Schloss, wo man in einem gemütlichen Gastgarten bei einer beachtlichen Auswahl von Getränken und kleinen Speisen herrlich die Seele baumeln lassen kann. Nicht unerwähnt soll das Bier aus eigener Brauerei bleiben, das etwas anders schmeckt als die marktüblichen tschechischen Sorten, aber ungemein süffig ist. Wenn der junge Kellnergeist „PIVO!!!“ schreit, ist es frisch angezapft – unbedingt zugreifen! Das Schloss selbst ist eigentlich immer abgesperrt, soferne gerade keine öffentliche Führung stattfindet (selbstverständlich unter Leitung einer „Hexe“ oder eines „Gespenstes“). Wir hatten aber dennoch keine Probleme jederzeit rein- und rauszukommen, weil uns eine Burgmaid (vom Management auf der Homepage unromantisch als „persönliches Dienstmädchen“ bezeichnet) stets den Zutritt ermöglichte und wir sogar deren Telefonnummer bekamen, sollte sie einmal nicht in der Nähe sein. Da wir den Spuk auf diesem Anwesen bereits bei der Buchung ahnten, hatten wir zunächst Bedenken, ob es uns hier auch wirklich gefallen würde – trösteten uns aber mit dem Gedanken, dass das Schloss am Rande dieses mittelalterlichen Komplexes liegt und wir dort ungestört sein würden. In realiter war letzteres auch so, und den unheimlichen Hexen- und Gespensterrummel rundherum möchten wir nachträglich keinesfalls missen! Es war ein unglaublich amüsanter und abwechslungsreicher Aufenthalt, der uns Anlass zu einer klaren Weiterempfehlung gibt. Exakte Gesamtnote: 5,2 (individueller Gesamteindruck aber 6,0) Zustand des Schlosshotels: 5/6 (teilweise abbröckelnder Außenputz) Allgemeine Sauberkeit der einzelnen Bereiche: 6/6 Behindertenfreundlichkeit: nicht bewertet Familienfreundlichkeit: nicht bewertet
Zimmertyp: (Gold-)Suite Sauberkeit & Wäschewechsel: 6/6 Größe des Zimmers: 6/6 Größe des Badezimmers: 6/6 Ausstattung des Zimmers (TV, Balkon, Safe, etc.): 6/6 Ausblick: in den Schlosspark
Vielfalt der Speisen & Getränke: 6/6 Geschmack & Qualität der Speisen & Getränke: 6/6 Atmosphäre & Einrichtung: 5/6 Sauberkeit im Restaurant & am Tisch: 4/6 (genauer Punktedurchschnitt: 5,25)
Freundlichkeit & Hilfsbereitschaft: 6/6 Fremdsprachenkenntnisse des Personals: 5/6 Rezeption, Check-in & Check-out: 6/6 Kompetenz (Umgang mit Reklamationen): nicht bewertet (genauer Punktedurchschnitt: 5,7)
Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung: 3/6 Verkehrsanbindung & Ausflugsmöglichkeiten: 2/6 Restaurants & Bars in der Nähe: 5/6 (genauer Punktedurchschnitt: 3,3)
Beliebte Aktivitäten
- Wellness
- Sport
Infos zur Reise | |
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Verreist als: | Paar |
Kinder: | Keine Kinder |
Dauer: | 1 Woche im September 2019 |
Reisegrund: | Wandern und Wellness |
Infos zum Bewerter | |
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Vorname: | Oliver |
Alter: | 51-55 |
Bewertungen: | 100 |
Bewerter können für ihre Beitrage Miles & More Meilen sammeln oder einen 5€ HolidayCheck Reisegutschein erhalten.