Auf Santorin gibt es keinen Atlantis-Rummel, aber eine Ausgrabungsstätte von Weltrang.
Weiße Häuser, steile Klippen – und obendrüber der ewig blaue Himmel der Ägäis: So wie Santorin würde man eine griechische Insel anlegen, wenn es noch keine griechische Insel gäbe. Der Blick von der Steilküste hinab aufs Meer ist so phänomenal, dass sich viele kaum von ihm losreißen können. Sie verpassen eine Ausgrabungsstätte, bei deren Besuch man die Geschichte der Kykladeninsel ein wenig besser versteht.
Was ist diese Insel schön! Die weißgekalkten Häuser von Fira und Oia krallen sich an den Rand der Klippe und sehen exakt so aus, wie man sich Häuser in Griechenland vorstellt. Der blaue Türrahmen passt zu den blauen Fensterläden, und die passen zum blauen Gartenzaun, und der wiederum zu den blauen Kuppeln der Kirchen nebenan. Und die Katzen liegen so malerisch auf den Treppenstufen, dass man sie für Attrappen hält. Und dann dieses Panorama! Egal, von wo man an Santorins Steilküste aufs Meer hinaus schaut: So einen Ausblick gibt es am (und im) Mittelmeer nirgendwo sonst.
Was wir heute Santorin nennen, ist eigentlich bloß der Rand eines Vulkans – wenn man von oben hinunter ins Meer schaut, blickt man quasi in dessen Krater. Bei einem Ausbruch vor tausenden Jahren wurde auch eine Stadt namens Akrotiri unter der Asche begraben. Archäologen haben Jahrzehnte gebraucht, um die Stadt Schicht für Schicht frei zu legen; mittlerweile sind die Ausgrabungen in einer federleicht wirkenden, klimatisierten Halle zu sehen. Wenn man sich für ein paar Stunden vom Panorama an der Küste losreißen kann (und von den Cafés, Pools und Stränden), dann ist dieses Akrotiri das Beeindruckendste, was man sich auf Santorin anschauen kann. Grundmauern, Straßen, Keller, Durchgänge – all das ist komplett erhalten. Man glaubt fast, dass gleich einer der ehemaligen Bewohner um die Ecke kommt.
Manche Forscher glauben übrigens, Santorin sei der letzte verbliebene Rest von Atlantis. Kann man überall lesen, steht in jedem Reiseführer, aber dann ist man auf Santorin und findet – nichts dazu. Bloß diese Ausgrabungen, auf deren Tafeln viel erklärt wird, aber zum Glück kein Wort von Atlantis steht. Dabei gibt es genügend Orte und Regionen, die aus einer solchen Steilvorlage einen Höllenrummel entfachen würden, vom Atlantis-Erlebnispark bis zum "Der Tag, an dem die Welt unterging"-Musical mit Costa Cordalis. Auf Santorin gibt es nichts davon, überhaupt nichts. Und warum? Wahrscheinlich hat man hier schon sehr früh gelernt, dass nichts auf dieser Insel so einzigartig ist wie das Panorama. Und dass man von dem besser nicht ablenken sollte.
Die Kykladeninsel liegt im südlichen Ägäischen Meer, etwa 120 Kilometer nördlich von Kreta.