Hoher Atlas

Marrakesch/Sonstiges Marokko

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Monika(71+)
November 2011

Leben am Abgrund: im Reich der Berber

6,0 / 6

Wir hatten auf Empfehlung unseres Hoteliers einen 2-tägigen Ausflug von Marrakesch in das Atlas Gebirge gebucht, so richtig wußten wir nicht, wohin uns diese Fahrt führen würde. Mohammed holte uns morgens mit einem relativ neuen Pagero ab ("das Kamel der Nomaden von heute") und nach einer halben Stunde Fahrt hatten wir Marrakesch hinter uns gelassen und es ging hinauf in die Berge. Die Serpentinen wanden sich von Tal zu Tal, hinter jeder Biegung eröffnete sich uns ein neues, grandioses Panorama mit immer neuen Gesteinsformationen und Gesteinsfarben. Von grau über lehmfarben, von braun zu rot wechselten die Berge und Täler ihre Farben, über allem strahlte ein azurblauer Himmel, ab und zu kam uns ein Reiter auf einem Esel entgegen, Autos eher selten. Je höher wir kamen, desto weniger Verkehr. Techical Stop in einem Café mit sauberen Toiletten, Aschenbecher- und Tücherverkauf, Shopping-Stop in 1800 Meter Höhe bei einer Arganöl-Kooperative.In 2600 Meter Höhe verlies Mohammed die wirklich gut und neu ausgebaute Autostraße und es ging steil abwärts über einen Sandweg auf eine Straße, die mal Schotterpiste, mal geteert war, mitten hinein ins Reich der Berber. Nach einer längeren Fahrt durch unwirtliche Landschaften, vorbei an an die Berge gebauten Lehmdörfern, die sich jeweils farblich den Gesteinsformationen des jeweiligen Tals anpassten und so ein wenig aussahen, als ob sie sich tarnen wollten. Dazwischen ein paar halb ausgedörrte Flußläufe, ein paar Palmen und dann endlich: Telouet. Hier steht die halb verfallene Kasbah der Glaoui in 1800 Meter Höhe. Das wirklich Spektakuläre an dieser stolzen Kasbah sind nicht der Mosaikensaal oder die geschnitzten Türen, das Spektakuläre ist die Aussicht. Man blickt von hier aus weit über das Land und das auch noch ganz allein: ohne Führer, ohne Museumswärter, ohne andere Touristen. Und so überträgt sich die Ruhe dieses Landes sofort auf einen selbst, man könnte ewig dort oben stehen. 200 Meter von der Kasbah entfernt finden wir zu unserer größten Überraschung ein zauberhaftes Restaurant mit einer kleinen Terrasse mit Aussicht auf die Berge. Und ein durchaus genießbares Mittagessen. Bei der Ausfahrt aus Telouet finden wir dann den Wegweiser: "Viel Glück" steht darauf, und das brauchen wir auch und einen so guten Fahrer wie unseren Mohammed. Denn jetzt geht es weiter hinauf, vorbei an tiefen Schluchten, das Panorama wird immer atemberaubender. Unterwegs treffen wir nur ab und zu auf einen viel zu voll besetzten Wagen und einmal auf eine Werksrallye von einem bekannten Reifenhersteller. Ansonsten sind wir hier allein mit Mohammed, er hat eine wundervoll schwere, bodenständige Berbermusik für uns aufgelegt, die perfekt zu dieser Landschaft passt. Die in die Felsen gehauenen Bergdörfer, die wir passieren, haben alle Strom, Wasser und TV. Und unser Mohammed hat offensichtlich überall Satelliten-Empfang, denn ab und zu telefoniert er. Gegen Nachmittag dann kommen wir in ein Dorf, in dem sich auch unser Hotel befindet, das Riad MakToub. Das Dorf sieht eher unbedeutend aus, man sieht den Turm einer Moschee und ansonsten Lehmhäuser. Okay, also wir schlafen hier. Auf dem Dach des Riads gibt es ein paar Stühle, auf denen wir darniederfallen und was zu Trinken bestellen. Und dann sehen wir sie: die Kasbah von Ait Benhaddou. Sie versteckt sich ein wenig auf einem Hügel, das sieht aber sehr hübsch aus von hier oben. Gleich geht die Sonne unter, "komm, wir trinken aus und gehen mal gucken". Der Mann ist eher unwillig, "sehen doch eh alle gleich aus, diese Kasbahs". Der Mann wird mitgeschleift, die Berge färben sich bereits ein wenig rosa, das kleine Dorf fängt an zu glühen. Jetzt sind die Lehmhäuser alle rosa, sie sehen relativ neu aus. Wir gehen vorbei an spielenden Kindern, einem Internet-Café, allzuviel sieht man nicht von der Kasbah. Und dann kommt man an eine Wegbiegung und sieht oben den Mond aufgehen. Plötzlich liegt ein Tal vor uns, das fast zu schön ist, um wahr zu sein. Wir kennen dieses Tal, wir haben es öfter gesehen, es ist ein Tal der Träume. Wir laufen eine kleine Straße an diesem Tal entlang, vollkommen überwältigt von dieser Aussicht, die Sonne hat sich in diesem Moment zum Showdown entschlossen und nach einer rutschigen Wegbiegung, nichts ist hier ausgeschildert, erreichen wir die Brücke, die zur Kasbah führt. "Wahnsinn" entfährt es uns. Dieser Anblick ist so überwältigend, das wir den Atem angehalten haben. Der Muezzin ruft zum Gebet. Ait Benhaddou, wir hatten noch nie etwas von diesem Ort gehört, ist Unesco Weltkulturerbe. Oder doch Hollywood? Wir kennen diesen Ort, aus großen Hollywood-Produktionen. Das Dorf wurde restauriert für den Film "Jesus von Nazareth". Die Kasbah ist der Hauptort der Sippe (Ait) Ben Haddou gewesen, ein mächtiges Geschlecht, das die Handelswege zwischen Timbuktu und Marrakesch kontrollierte. Noch immer leben Menschen in der Kasbah. Und dann ist es plötzlich dunkel, die Sonne hat sich hinter den schneebedeckten Gipfeln des Hohen Atlas schlafen gelegt. Wir tappen in der Dunkelheit zurück in unser Riad, das innen eher auf Abenteuerurlaub als auf Luxus ausgerichtet ist. Im Zimmer ist es eiskalt, weder die Decken noch der Heizlüfter schaffen es, nachts das Zimmer zu erwärmen. Im Restaurant haben wir glücklicherweise ein nettes Paar aus Frankreich getroffen, die ihren mitgebrachten Rotwein mit uns teilten, so dass wir ein wenig erwärmt waren, im Hotel gab es keinen Alkohol. Am nächsten Morgen dann ging es weiter nach Quarzazate, wo wir in den Filmstudios lernten, warum uns die ganze Gegend so bekannt vorkam. Ob Sodom und Gomorrha, Laurence von Arabien, Himmel über der Wüste oder Prince of Persia, Quarzazate ist das Hollywood Marokkos und in den Filmstudios finden wir uns in den Kulissen von "Letztes Jahr in Tibet" wieder. Aber wo zum Teufel ist Sönke Wortmann? Der hat hier "Die Päpstin" gedreht. Ob wir noch die Kasbah von Quarzazate sehen wollen? Och nö, wir wollen wieder heim, Richtung Marrakesch, wir sind vollkommen überwältigt von dieser Wahnsinns-Landschaft. Unser Tipp: Das sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen! Aber warm anziehen, wir haben uns beide erkältet in Ait Benhaddou.

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