Reisebericht
Gran Canaria: Geheimtipps im Hinterland
Gran Canaria zählt zu den Lieblingsinseln der deutschen UrlauberInnen. Kein Wunder, in nur rund fünf Stunden Flugzeit und mit einer Zeitverschiebung von lediglich einer Stunde erwarten Familien und SonnenanbeterInnen ein ganzjährig mildes Klima, tolle Strände, die berühmten Dünen von Maspalomas und die quirlige Hauptstadt Las Palmas. Auf meiner viertägigen Entdeckungsreise durch den Norden und das geografische Zentrum der Kanareninsel habe ich Orte besucht, die sich für einen Tagesausflug als Strandalternative lohnen und gleichzeitig viel über die Geschichte und Kultur der Insel preisgeben.
Das Höhlendorf Cuevas Bermeja
Auf den Spuren der Guanchen
Gran Canarias erste Siedler waren Völker berberischen Ursprungs, die Guanchen. Sie lebten geschätzt rund 2000 Jahre isoliert, bis die Spanier die Insel im 15. Jahrhundert eroberten. Einen intensiven Eindruck von der Kultur der Guanchen bietet das Höhlendorf Cuevas Bermeja, nordwestlich von Ingenio und Agüimes in der Schlucht Barranco de Guayadeque. Auch heute noch leben Menschen in den Höhlenwohnungen, allerdings wesentlich komfortabler als damals. Ich staune, denn die in dem rotbraunen Felsen der Schlucht angelegten Räume haben Strom und fließendes Wasser und sogar der Postbote findet seinen Weg dorthin. „Das war nicht immer so: Bis zum Bau der Straße durch das Tal Mitte der 1970er Jahre versorgten sich die Bewohner weitestgehend selbst“, erzählt mir Doña Isabel. Die 86-Jährige wohnt seit Jahrzehnten in Höhle Nr. 17 und will dort auch bleiben, ebenso wie zwei ihrer acht Kinder. Wenn sie Lust auf Gesellschaft hat, besucht sie die Bar Restaurante Guayadeque am Fuß des Dorfes. Ich gönne mir einen Kaffee auf der Terrasse und werfe noch einen Blick in die kleine Kirche Ermita de Guayadeque, die wie auch das Restaurant ebenfalls in eine Höhle gebaut ist.
Arucas
Mehr als 4.000 Fässer Rum
Bei Rum denke ich vor allem an Kuba. Doch ich werde eines Besseren belehrt: Auf Gran Canaria wurde schon Zuckerrohr angebaut, bevor diese Pflanze überhaupt nach Kuba importiert wurde, erklärt mir Cesar Arencibia, Tourismusdirektor der Destillerías Arehucas. Diese entstand 1884 in der Gemeinde Arucas, rund zwölf Kilometer von der Inselhauptstadt Las Palmas entfernt, als eine der modernsten Rumfabriken ihrer Zeit. Heute ist sie eine der etablierten Marken auf den Kanarischen Inseln und die älteste Rumbrennerei Europas, in der Rum gealtert wird. Meine Tour durch den alten Keller führt zu mehr als 4.300 Fässern aus amerikanischer Eiche. Auf rund 300 davon haben sich internationale Berühmtheiten wie die Sänger Tom Jones und Julio Iglesias verewigt. Auch die deutschen Politiker Willy Brandt und Walter Scheel statteten der Brennerei in den 1970er Jahren einen Besuch ab und setzten ihre Unterschrift auf ein Fass. Pro Jahr füllt die Brennerei rund 3,5 Millionen Liter Rum in Flaschen ab – eine Menge, mit der ein ganzes olympisches Schwimmbad gefüllt werden könnte. Natürlich schließe ich den Besuch mit einer Verkostung ab und probiere dabei den Arehucas Ron Miel, das Nationalgetränk Gran Canarias. Dieser Rum wird mit Honig als Likör angesetzt und unter einer lauwarmen Sahnehaube serviert.
Weltkulturerbe
Heilige Berge und Kalender aus Stein
Vom Aussichtspunkt Pinos de Gáldar auf einer Höhe von 1.580 Metern aus, im geografischen Mittelpunkt der Insel, genieße ich einen grandiosen Ausblick auf die Bergwelt der Insel und den gleichnamigen Krater. Auf der Westseite des Aussichtspunkts wachsen einige alte Exemplare der Kanarenkiefer. Das Gebiet ist seit 2005 Weltnaturerbe der UNESCO. Dort treffen auch viele Landstraßen und Wanderwege zusammen. Weiter auf der Straße nach Tejeda entdecke ich zwei weitere imposante Erhebungen in der Ferne: die Monolithen Roque Nublo und Roque Bentayga, einst heilige Orte, an denen die Ureinwohner ihre rituellen und religiösen Praktiken durchführten. Die Montañas Sagradas – die Heiligen Berge – auf Gran Canaria gehören gemeinsam mit der Höhlenfundstätte Risco Caído in Artenara seit 2019 zum UNESCO-Welterbe. Dort, im höchsten Dorf Gran Canarias, statte ich dem Interpretationszentrums von Risco Caído und Montañas Sagradas de Gran Canaria einen Besuch ab und tauche tief in die Vergangenheit der Insel ein. Besonders beeindruckend finde ich die originalgetreue Nachbildung einer Höhle, die den Ureinwohnern als astronomischer Kalender diente und in der mich ein beeindruckendes Lichtschauspiel in den Bann zieht.
Idyllische Bergdörfer
Hier wird getanzt und geschnuppert
Eine besonders schöne Tradition erlebe ich auf den Märkten der Bergdörfer Teror, San Mateo und Tejeda: In einem Zelt spielt ab neun Uhr morgens eine Musikgruppe Schlager und traditionelle Lieder und im Laufe des Vormittags schwingen immer mehr Paare das Tanzbein dazu. Die Veranstaltung sei ursprünglich für Senioren gedacht gewesen, erklärt mir Manuel Medina vom Tourismuspatronat Gran Canaria, aber je nach Rhythmus lockt sie auch jüngere TänzerInnen aufs Parkett. Der Markt in Teror ist einer der ältesten der Insel. An den rund 140 Ständen probiere ich regionale Käse- und Wurstspezialitäten wie die Streichwurst Chorizo de Teror und das leckere Mandelgebäck der Region. Zwischendurch werfe ich einen Blick in die vielen kleinen Geschäfte mit Kunsthandwerk, Körben, Textilwaren und Souvenirs rund um die Plaza del Pino, den Platz der Kiefer. Und um die Ecke in der Casa del Perfume Canario schnuppere ich blumige, holzige und frische Düfte und erhalte einen Einblick in die Welt der Parfümherstellung.
Santa Catalina
Hotellegende in Las Palmas
Bedeutende Persönlichkeiten wie König Charles III., der britische Staatsmann Winston Churchill und Musikerlegenden wie Maria Callas und Louis Armstrong wussten die besondere Atmosphäre des Hotels Santa Catalina, mitten im Dorama-Park, zu schätzen. Das 1890 von den Engländern im Viertel Ciudad Jardín von Las Palmas eröffnete Haus legte den Grundstein für den Tourismus in der gesamten Region. Seit 2019 gehört das unter Denkmalschutz stehende Gebäude unter dem Namen Santa Catalina, a Royal Hideaway Hotel zur spanischen Hotelgruppe Barceló. Schon beim Betreten der Lobby wähne ich mich auf Zeitreise in die Vergangenheit. Im ganzen Haus entdecke ich Wandmalereien aus dem 19. Jahrhundert und kulinarisch erwarten mich zwei Restaurants: Das Gourmetrestaurant Poemas, das von dem Michelin-Stern-ausgezeichneten Juan Carlos Padrón und seinem Bruder Jonathan betrieben wird, und eine Bodega mit einer tollen Auswahl leckerer Tapas. Den Sundowner genieße ich danach auf dem Rooftop mit Bar und Infinitypool.
Ausgerechnet Bananen
Das etwas andere Mitbringsel
„Mehr estaudes (Stauden), mehr Kilos – mehr Money (Geld)“ – allein wegen des Kauderwelschs aus Spanisch, Deutsch und Englisch von Juan Carlos Santana lohnt sich mein Besuch auf der Bananenplantage La Rekompensa in Arucas. „J.C.“, wie sich der junge Besitzer nennt, führt mich kurzweilig und mit hohem Unterhaltungswert über das Gelände. 8.000 Pflanzen stehen dort und von den 200 Tonnen Bananen im Jahr bleiben 20 Prozent auf der Insel, der Rest wird aufs Festland gebracht. Für den Export innerhalb Europas seien sie zu klein, erklärt J.C. Bananen sind pflegeintensiv, erfahre ich. Eine Pflanze benötigt 20 Liter Wasser pro Tag und die Blüten an jeder Banane werden von Hand geschnitten. Ist die Staude reif, wiegt sie rund 70 Kilogramm und wird von einem Arbeiter auf der Schulter bis zum Lastwagen getragen. Insgesamt 13 Sorten züchtet J.C., darunter die Plátano Canario, eine kleinere Version der gängigen Cavendish-Banane, und die Plátano Manzana mit Apfelgeschmack. Ich werfe noch schnell einen Blick in den Shop der Hacienda von 1804, in dem die Künstlerin Pilar Urena handgefertigte Taschen, Ohrringe und Ketten aus Bananenblättern verkauft. Als Mitbringsel entscheide ich mich dann allerdings für einen wesentlich günstigeren Mini-Bananenableger. Mal sehen, was daraus wird …