„Grandhotel. Die Menschen kommen und gehen, und nie geschieht etwas.“ (aus: Menschen im Hotel) Was gibt’s Neues im Adlon? Das Kempinski-Flaggschiff hat es nicht leicht: auf dem schwierigen Berliner Hotelmarkt mit den im Durchschnitt niedrigsten Zimmerpreisen aller europäischen Hauptstädte muss man sich gleich gegen zwei Dutzend weitere 5-Sterne-Hotels (bekanntlich mehr als in New York) behaupten, während neue Luxusherbergen wie Pilze aus dem Boden schießen und das Berliner Bettenangebot überproportional wächst. Gerade für die Handvoll absoluter Spitzenhäuser wird es von Jahr zu Jahr schwieriger, Auslastung und RevPAR auf einem wirtschaftlichen Niveau zu halten. Dazu die immer wieder kehrenden Querelen zwischen den Aktionären und dem Fundus-Fond, dem nicht nur das an Kempinski verpachtete Hauptgebäude sondern über die Adlon-Holding auch die rückseitig gelegenen Adlon-Residenz und das Adlon-Palais mit diversen Restaurants, Bars und Event-Locations gehört. Auch dieses Jahr versuchten Aktionäre, Fonds-Gesellschafter Anno August Jagdfeld wegen ausbleibender Rendite abzuwählen – erfolglos, aber die Medien berichteten genussvoll über das Spektakel. Neuester Jagdfeld-Coup inzwischen: die Gründung einer eigenen Hotelkette unter dem Namen Adlon; Kempinski ist sauer, der nächste Streit vorprogrammiert. Man darf gespannt sein. Und sonst? Mit dem neuen Direktoren-Gespann Oliver Eller und Franck Droin hat frischer Wind im Management Einzug gehalten, das Gourmet-Restaurant Lorenz Adlon Wohnzimmer erhielt jüngst seinen zweiten Michelin-Stern während sich Tim Raue nebst Gattin aus dem MA verabschiedete (heißt jetzt UMA), und im Quarré lief uns ein alter Bekannter über den Weg: Hagen Hoppenstedt hat vom Hamburger Vier Jahreszeiten als Maitre und Chef-Sommelier an die Spree gewechselt und weiß auf gewohnt sympathische Art von den neuen Herausforderungen zu erzählen.
Unser Zimmer: 354, Deluxe, die zweitunterste Kategorie; der erste Eindruck harmonisch und einnehmend. Auffällig zum einen die Größe von rund 40 qm, die keinerlei Enge aufkommen lässt und nerviges Mobelrücken erspart. Das ist an sich schon einmal die halbe Miete. Die andere Hälfte und mehr: Stilvolles Interieur, das geschickt preussische Strenge mit einer Spur Art Déco und einem Hauch britischem Clubhausstils vereint und hervorragend zu einem Haus mit dieser Geschichte passt, ohne dabei so pompös und überladen zu wirken wie etwa das Regent am Gendarmenmarkt. Selbst die Bilder, moderne Collagen, wurden wohlüberlegt ausgesucht und zeigen Motive, die man automatisch mit der Vergangenheit des Adlon verbindet: Marlene Dietrich, Kaiser Wilhelm Zwo, Thomas Mann, das Brandenburger Tor. Zudem sind es wohldurchdachte Details und Kleinigkeiten, die den Aufenthalt noch angenehmer machen: das Nachtlicht etwa, das vom Master Panel in der Nachttischschublade aktiviert werden kann, um im Dunkeln den Partner nicht zu stören, das schnurlose Telefon, wie ein Handy im ganzen Hotel nutzbar, die schalldicht abschließende Zimmertür oder der separate Einlegebogen im Safe für kleinere Teile wie Schmuck und Schlüssel. Und auch dies haben wir noch nicht gesehen: In jedem Zimmer hat das Housekeeping im Schrank eine eigene Servicestation und muss so nicht mit Putzwagen und Staubsauger von Zimmer zu Zimmer wandern. Es verwundert allerdings, warum sich die (absolut lautlose) Klimaanlage nur zwischen 20 und 24 Grad einstellen ließ; dies ist zumindest zum Schlafen viel zu warm. Gut, dass die hohen Fenster zum ruhigen Innenhof hin öffnen. Trotz der charmanten und hilfreichen Zimmereinweisung durch eine Mitarbeiterin der Rezeption fällt die Begrüßung dann aber doch etwas mager aus: Kein Obstkorb, eine Blume oder gar ein Anschreiben der Direktion warten auf den Gast, nur die bekannt unpersönliche Anrede über den Fernseher. Immerhin steht kostenlos eine Flasche Mineralwasser bereit und wird abends vom Turndownservice auch wieder ersetzt. Ein Betthupferl gibt es nicht. Wie nicht anders zu erwarten haben die Damen vom Housekeeping erstklassige Arbeit verrichtet, nichts deutet auf einen eventuellen Vormieter hin, auch bekannte Problemstellen wie Bilderrahmen und Lampenschirm sind perfekt gereinigt – was umso höher zu bewerten ist, da die Lichtverhältnisse im Zimmer alles andere als optimal sind; als ich im Gepäck ein Paar dunkler Socken suchte, musste ich den Trolley schließlich kurzerhand mit ins Badezimmer nehmen. Nota bene: Gerade hier sind gleich zwei Glühbirnen defekt und werden während unseres Aufenthalts nicht ausgewechselt. Damit zum Höhepunkt: Das Bad. Nein, kein Bad, eher ein Beauty-Salon aus schwarzem Marmor, edlen Hölzern und klassischen Armaturen; wahrscheinlich das schönste Badezimmer, das wir je in einem deutschen Hotel gesehen haben. Nur halt eben nicht nur schön, sondern auch praktisch: jede Menge Ablageflächen, eine Sitzbank in der Dusche (war neu für uns), separater Schminktisch, Fußbodenheizung natürlich, die Toilette nicht nur abgetrennt, sondern auch direkt vom Flur aus begehbar; ja, sogar Armaturen und Abflussstöpsel der Badewanne befinden sich in der Mitte, was das Baden zu zweit noch schöner macht. Kurz vor unserer Anreise schauten wir noch einmal auf die Kempinski-Homepage und bekamen große Augen: stattliche 530 Euro ohne Frühstück sollte unser Zimmer jetzt kosten; das Hotel war so gut wie ausgebucht. Wir hatten zwei Wochen zuvor über Logitravel reserviert und rund 200 Euro pro Nacht bezahlt – so entwickelte sich unser Besuch im Adlon letztendlich noch zu einem Schnäppchen.
Damit war zu rechnen: Die Preise im Adlon sind ausgesprochen phantasievoll. Bei einem Frühstückspreis von 39 Euro zumindest ist die persönliche Schmerzgrenze erreicht, kein Mensch kann morgens so viel essen – um nur einigermaßen auf seine Kosten zu kommen, wird man schon gleich eine halbe Flasche Schampus kippen müssen. Und auch das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Currywurst mit Pommes Frites für sagenhafte 17 Euro. Gut, das Adlon muss man sich wert sein, aber gleich schräg gegenüber gibt’s eine authentische, sehr leckere Imbissbude. Wenn schon Currywurst, dann auch richtig. Wir waren zum 4. Advent ins Adlon gereist, doch von vorweihnachtlicher Besinnlichkeit keine Spur; der Laden brummt, die Stimmung ist gut (und laut), der Pianist spielt Weihnachtliches, und wann immer wir die festlich geschmückte Lobby-Lounge oder die Bar aufsuchten, schien es uns, als wollte man schon Silvester feiern. Hatte man dann aber erst mal einen Platz gefunden, erwies sich der Service trotz des großen Andrangs als freundlich und flink. Zum Cappuccino werden auf einer Etagère köstliche Petits Fours gereicht, und auch das Kuchen-Büffet ist mehr als umfangreich; die Cocktails hingegen empfanden wir durchweg als zu „parfümiert“ (was mit „zu viel Zucker, zu wenig Alkohol“ falsch übersetzt wäre). Dem Barkeeper über die Schulter schauen konnte man sowieso nicht; die Gäste drängten sich in Dreierreihen am Tresen. Sehr eindrucksvoll: die große Whisk(e)y-Karte mit über 60 Positionen.
Marmor allein schafft noch keinen Luxus, heißt es, das Haus ist nur die Hülle, und an den Mitarbeitern liegt es, ein Hotel mit Leben zu füllen. Dies ist im Adlon zweifellos gelungen. Das durchweg junge und gut geschulte Personal zeigt sich während des gesamten Aufenthalts über aufmerksam, hilfsbereit und sichtbar motiviert und lässt ein angestaubtes Image, das einigen Grandhotels auch heute noch anhaftet, gar nicht erst aufkommen. Gerade im Adlon wird wieder einmal deutlich, wie sehr das „Menschliche“ in einem Hotel die Atmosphäre prägt und wie man einen gelungenen Besuch vor allem durch Freundlichkeit und Servicebewußtsein erreicht. Auf diese Weise kann man nicht nur an die glorreiche Geschichte des Hauses anknüpfen, sondern sie nach alter Tradition fortschreiben. Deutlich wird aber auch, unabhängig vom Naturell des Einzelnen, dass gewisse Standards existieren, die weit über dem liegen, was andere sehr gute Häuser heute bieten, ein Begrüßungsgetränk zum Check-In etwa oder beim abendlichen Ordern des Weckrufs die Nachfrage, ob man uns denn auch gleich Kaffee oder Tee auf dem Zimmer anbieten könne. Nun, man konnte. Der Anruf erfolgte dann pünktlich auf die Minute – wird ja gerne mal vergessen –, und im selben Moment stand auch schon ein ausgesucht höflicher Etagenkellner vor der Tür – „Einen wunderschönen Guten Morgen. Darf ich eintreten?“ Und womit wir erst recht nicht gerechnet haben: Dieser Service ist kostenlos. Gibt’s denn gar nichts zu meckern? Nun: Eine Woche vor Anreise baten wir beim Reservation Office per Mail um ein Nichtraucher-Zimmer. Die Antwort kam erst 24 Stunden später, war freundlich im Ton, aber befremdlich in der Sache: Man versuche unserem Wunsch zu entsprechen, aber: „Garantie für ein Nichtraucher-Zimmer kann nicht gegeben werden“. Hm. Entweder es gibt noch solche Zimmer – gut. Oder eben nicht, und wir hätten unsere Buchung vermutlich storniert. Ach ja, beim Einchecken wurden wir gefragt, was für ein Zimmer wir denn gerne haben wollten ... In der Reservierungsabteilung schien man unsere Anfrage schlicht verpennt zu haben.
Die einfach unübertreffliche Lage des Adlon am Pariser Platz und das ganze Drumherum dürften bekannt sein; dazu nur soviel: Dass es sich in Deutschland (und Europa und der ganzen weiten Welt überhaupt!) eben kaum ein anderes Grandhotel mit einer vergleichbaren Adresse finden lässt. Bezeichnend hierfür auch, dass sich Adlon-Witwe Hedda bereits Anfang der 50er Jahre beim Verkauf der Namensrechte an die Kempinski-Gruppe zusichern ließ, ein neues Hotel mit dem prestigeträchtigen Namen dürfe nur am selben Standort wie der Vorgängerbau entstehen, eben direkt Unter den Linden vis-à-vis dem Brandenburger Tor. Damit ist das Hotel Adlon heute auch geographisch wieder das „erste“ Haus der Stadt.
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Zu welcher Zeit auch immer wir das Schwimmbad im Untergeschoss besuchten: eigentlich möchte man schon am Eingang wieder kehrt machen. Bereits am Fahrstuhl entsteht vor dem inneren Auge das Bild eines Schulausflugs ins Hallenbad, und genau so präsentiert sich dann auch der ansonsten sehr schöne, etwas theatralisch im antik-römischen Stil gehaltene Bereich: Die Liegen ständig belegt – es gibt allerdings auch nur zehn, in einem 700-Betten-Haus, dazu einige Sessel! –, laut hallendes Kindergeschrei, rund um den Whirlpool herum sammeln sich rutschige Wasserlachen, und die Aufsicht, nebenbei auch noch für die Pool-Bar zuständig, kommt mit dem Säubern und Aufräumen kaum noch hinterher; manche Bereiche erinnern eher an eine Turnhallen-Umkleide. Positiv immerhin: eine kostenlose Auswahl verschiedener Tees und Wasser sowie reichlich Obst stehen bereit, und die überall ausliegenden Handtücher bester Qualität haben die Größe von Bettlaken. Sehr angenehm auch: An der Pool-Bar gibt es nicht, wie sonst üblich, eine eigene, abgespeckte Getränkekarte für den Schwimmbad-Bereich, sondern man kann sich der großen Karte aus der Lobby-Lounge bedienen. Im etwas abseits gelegenen Sauna- und Fitnessbereich geht es dann zwar ruhiger zu, aber auch hier wirkt das Angebot für die Größe des Hauses unterdimensioniert. Dass ist der Leitung natürlich bewusst, und so versucht man zum einen, externe Besucher mit Tagespreisen von 65 Euro abzuschrecken, zum anderen eröffnete im Adlon-Palais vor vier Jahren das lange angekündigte Day Spa auch für Nicht-Hausgäste, das sich innerhalb kürzester Zeit mit umfangreichen Massage-Angeboten einen Namen über die Grenzen der Stadt hinaus gemacht hat. Bei einem kurzen Rundgang durch die im asiatisch-minimalistischen Stil eingerichteten Räumlichkeiten (u. a. drei Tages-Suiten mit eigener Sauna) konnten wir uns von dem vielseitigen Angebot ein gutes Bild machen; hier endlich entspricht das Wellnesskonzept, zu dem auch klassische Kosmetik- und Schönheitsanwendungen sowie ein Friseursalon gehören, tatsächlich einem Hotel von Weltruf. Bloß: Auch die Besucher des Day Spa können Pool- und Saunabereich des Hotels mitnutzen, womit wir wieder bei Punkt eins wären.
| Infos zur Reise | |
|---|---|
| Verreist als: | Paar |
| Dauer: | 1-3 Tage im Dezember 2011 |
| Reisegrund: | Stadt |
| Infos zum Bewerter | |
|---|---|
| Vorname: | Matthias |
| Alter: | 41-45 |
| Bewertungen: | 25 |

