Wie im Horrorfilm
Puppeninsel in Mexiko-Stadt: Wo gruselige Legenden Weltkulturerbe sind
Willkommen auf der Isla de las Muñecas, einer winzigen Chinampa im Netz der Kanäle von Xochimilco südlich von Mexiko-Stadt: Ein Ort, so surreal wie unheimlich. Über tausend verwitterte Babypuppen baumeln von Ästen, hängen in Spinnennetzen oder starren Dich mit glasigen Augen an – ein Panorama, das selbst hartgesottene Reisende erschaudern lässt. Die Insel gehört zum UNESCO-Welterbe "Historisches Zentrum von Mexiko-Stadt und Xochimilco" (seit 1987).
Mexiko: Unsere Bestseller-Hotels
Alle anzeigenTragödie als Ursprung der Puppen
Der Legende nach veränderte sich das Leben von Julián Santana Barrera, als er 1951 am Ufer einen leblosen Körper eines ertrunkenen Mädchens fand – halb im Wasser, das Haar zerzaust, die Augen starr ins Nichts gerichtet. Er lebte isoliert auf der Insel, getrennt von Frau und Familie, und empfand seitdem Schuldgefühle und Furcht vor dem Geist des Kindes.
Am darauffolgenden Tag fand er eine Puppe im Kanal – vermutlich die der Verstorbenen – und befestigte sie aus Respekt und als Schutz vor ihrem Geist in einem Baum. Doch anstatt Ruhe, begleiteten ihn fortan immer lautere Klagen und unheimliche Stimmen.
Die Puppen als ritueller Schutz – oder wahnhafter Akt?
Julián Santana Barrera begann systematisch, weggeworfene Puppen zu sammeln – aus Müll, Kanälen oder von Nachbarn – und befestigte sie beschädigt und verunstaltet rund um die Insel. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts entstand so ein skurriles Kult-Kunstwerk mit fast tausend Puppen ohne Augen, Gliedmaßen oder erkennbare Würde.
Anthropologische Studien bezeichnen diese Praxis als Ausdruck mexikanischen arte vernacular – spontan, volkskünstlerisch, verwoben mit religiöser Symbolik, Aberglauben und urbaner Legende. In der Volksfrömmigkeit Mexikos existiert die Tradition, Gegenstände – wie Puppen – als Schutzobjekte anzubringen, insbesondere an Orten mit vermeintlicher spiritueller Präsenz.
Schicksalhaftes Ende und touristische Wiedergeburt
2001 ertrank Julián Santana Barrera – völlig mysteriös – exakt dort, wo er fünf Jahrzehnte zuvor das Mädchen entdeckte. Ob es Müdigkeit, Herzinfarkt oder ein anderer Auslöser war, bleibt ungewiss. Sein Tod verlieh der Legende einen noch stärkeren mystischen Ruf.
Seine Familie öffnete die Insel danach für BesucherInnen: Hütten, ein kleines Museum mit Zeitungsartikeln sowie Barreras erste und seine Lieblingspuppe Agustina sind heute Teil des Rundgangs. Sogar einen Guinness-Weltrekord hält die Insel: Es handelt sich um die größte Sammlung "heimgesuchter" Puppen der Welt.
Mutprobe im Geistergarten: Eine Tour mit Gänsehaut-Garantie
Mittlerweile ist die Isla de las Muñecas ein fester Punkt im Dark Tourism-Repertoire, etwa 100.000 Menschen besuchen die Insel jährlich – Tendenz steigend. Außerdem nutzen einige Jugendliche die Insel als Mutprobe: Sie verbringen die Nacht dort, erweitern mit ihren eigenen Puppen den makabren Bestand, nur um ihre Furchtlosigkeit zu beweisen.
Du erreichst sie nur mit einer trajinera – einem bunten, venezianisch anmutenden Boot – ab den Embarcaderos Cuemanco oder Fernando Celada. Die Fahrt dauert je nach Route zwei bis vier Stunden. Viele Touren verbinden den Besuch mit einem Ausflug durch den ökologischen Bereich, inklusive Museo del Ajolote und Maïsfeldern. Achtung: Nicht alle AnbieterInnen führen Gäste zur echten Insel und es existieren immer wieder Nachbauten.
Kultur, Folklore, Grusel – und ein Ort, der bleibt
Die Isla de las Muñecas ist nicht bloß morbide Kuriosität. Sie verbindet folkloristische Tiefe mit zeitgenössischer Legende, religiöser Symbolik mit Kunst und urbaner Mystik. Ihre organisch gewachsene Installation ist ein berühmtes Beispiel nicht-institutionellen Kunstschaffens, häufig mit Vergleichen zu "Outsider Art" oder Umweltskulpturen versehen.
Heute versteht man sie als kulturelles, immaterielles Erbe Mexiko-Stadts – eine Ort, an dem Du die Spannungsfelder zwischen Tod, Aberglaube, Kunst und Tourismus spüren kannst.
Dein Urlaub mit dem Mietwagen

